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Pleitewelle: "Das dicke Ende kommt erst noch…

Pleitewelle: "Das dicke Ende kommt ... Text

Die große Welle von Unternehmensinsolvenzen steht dem Deister-Süntel-Tal erst noch bevor. Zu dieser Einschätzung kommt der Fachanwalt für Steuerrecht und Insolvenzrecht, Robert Pinter. Der Jurist und Insolvenzverwalter aus Bad Münder rechnet in der zweiten Jahreshälfte mit einem weiteren Anstieg der Firmenpleiten.

Herr Pinter, wie haben sich die Unternehmensinsolvenzen seit Beginn der Wirtschaftskrise entwickelt?

Pinter: Es gibt bei den Privat- und Unternehmensinsolvenzen ganz klar einen Anstieg. Er ist aber bislang noch nicht ganz so hoch ausgefallen, wie ursprünglich befürchtet. Das bedeutet aber nicht, dass die Krise vorbei ist. Im Gegenteil.

Das heißt, wir müssen mit einer weiteren Zunahme rechnen?

Pinter: Ja, das dicke Ende kommt erst noch. Ich erwarte, dass sich die Situation im Herbst verschärft. Viele Unternehmen stehen kurz vor der Insolvenz, brauchen dringend neue Aufträge. Man kann nur hoffen, dass durch die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf zwei Jahre einiges abgefedert wird. Ich halte das für ein grundsätzlich wichtiges Instrument. Was es konkret bringt, lässt sich allerdings noch nicht abschätzen.

Besteht nicht die Gefahr, dass Kurzarbeit zur Insolvenzverschleppung führt, weil versäumt wird, die eigentlich notwendige Strukturanpassung in Angriff zu nehmen?

Pinter: Die Gefahr besteht. Doch wie sehen die Alternativen aus? Lässt man ein Unternehmen frühzeitig in die Insolvenz gehen, werden viele Jobs vernichtet. Für die Arbeitnehmer sind die Perspektiven aus der Erwerbslosigkeit heraus viel schlechter als beim Erhalt ihrer Stelle, auch wenn dies mit Gehaltseinbußen verbunden ist. Ein kundiger Kaufmann muss jedoch gleichzeitig mit Einführung der Kurzarbeit überlegen, welche Maßnahmen er ergreift, um neue Zukunftsperspektiven zu haben.

Welche Firmen beziehungsweise Branchen sind denn besonders von Insolvenzen betroffen?

Pinter: Meine Erfahrung zeigt: Betroffen sind in der Regel nur Unternehmen, die schon vor Beginn der Krise Probleme hatten, etwa weil Fehlentscheidungen getroffen wurden oder zu wenig Eigenkapital vorhanden ist. Die konnten sich gerade noch so über Wasser halten - bis plötzlich die Umsätze eingebrochen sind. Das war dann der letzte Sargnagel. Dagegen haben Firmen, die vor der Krise gesund waren, meist Reserven aufgebaut, mit denen sie ein schlechtes Jahr überbrücken konnten.

Was die Branchen anbelangt, bleiben aufgrund der insgesamt hohen Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft im Grunde nur sehr wenige von der Krise unberührt. Auch mit Blick auf die Firmengrößen lässt sich keine Einschränkung treffen. Kleine Handwerksbetriebe mit drei, vier Mitarbeitern sind ebenso betroffen wie große Industrieunternehmen.

Für welche Gruppen sind die Überlebenschancen besser?

Pinter: Bei kleinen Handwerksfirmen findet sich oft nur schwer ein Übernehmer. Mitbewerber vor Ort haben häufig nur Interesse an der einen oder anderen Maschine. Für große Unternehmen gibt es meist doch jemanden, der die Geschäfte oder zumindest einen Teilbereich fortführt.

Früher wurde Insolvenz oft mit Untergang gleichgesetzt. Seit der Diskussion um Opel scheint sich die öffentliche Wahrnehmung geändert zu  haben.

Pinter: Richtig. Während mit dem Stellen des Insolvenzantrages früher nicht selten eine gesellschaftliche Ächtung verbunden war, wissen jetzt viele, dass es vorrangig um das Ausloten von Sanierungschancen geht. Das entspricht auch dem Ansatz der Insolvenzordnung, wobei dies in der Umsetzung ehrlicherweise nur zum Teil gelungen ist. Eine Sanierung setzt voraus, dass das Unternehmen noch einen lebensfähigen Kern hat.

Die Banken geraten immer stärker in die Kritik. Diese würden das ihnen vom Staat zur Verfügung gestellte Geld kaum mehr weitergeben oder nur zu Bedingungen, die von den Firmen nicht erfüllt werden können, sagt sogar der Bundespräsident.

Pinter: Ich bin gegen eine pauschale Verurteilung. Natürlich gibt es Einzelfälle, bei denen man fragen muss, warum kein weiterer Kredit gegeben wurde oder aber nur zu erhöhten Konditionen. Andererseits werden auch den Banken bei Insolvenzen hohe Hürden auferlegt. So müssen beispielsweise Sanierungsgutachten eingeholt werden. ich bin deshalb nicht dafür, die Geldinstitute zu Buhmännern zu machen.

Was raten Sie Unternehmern, für die es eng wird?

Pinter: Grundvoraussetzung einer Rettung ist, dass der Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt wird. Wenn die Gehälter erst mal rückständig sind und der dreimonatige Zeitraum für das Insolvenzgeld verstrichen ist, ist das Ende meistens vorprogrammiert.

Mit Robert Pinter sprach NDZ-Chefredaktuer Marc Fügmann. (Artikel der Schaumburger Zeitung vom 11.07.2009)

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